Typ-1-Diabetes ist durch die Zerstörung der insulinproduzierenden Betazellen gekennzeichnet. Betroffene sind lebenslang auf Insulin angewiesen. Die Transplantation von Pankreasinseln stellt zwar eine therapeutische Option dar, ist jedoch durch den Mangel an Spenderorganen und die erforderliche Immunsuppression stark eingeschränkt.
Vor diesem Hintergrund entwickelte ein europäisches Konsortium unter der Leitung der Universität Genf im Rahmen des EU-Projekts Vanguard eine bioartifizielle Bauchspeicheldrüse. In präklinischen Modellen konnte damit ein normaler Blutzuckerspiegel wiederhergestellt werden. Die Europäische Kommission würdigte diese Arbeiten über ihren Innovationsradar.
EU-Förderung und Marktrelevanz
Das Projekt Vanguard wurde über fünf Jahre mit insgesamt 7 Millionen Euro aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union gefördert. Vier im Projekt entstandene Innovationen wurden vom Innovationsradar als Entwicklungen mit hohem Marktpotenzial eingestuft. Nur rund 14 Prozent der EU-finanzierten Innovationen erreichen diese Kategorie.
Die Registrierung auf der Innovationsradar-Plattform erhöht die Sichtbarkeit der Technologien für industrielle Partner, Investoren und Transferprogramme.
Biomaterialien und vaskularisierte Zellcluster
Kern des Ansatzes ist eine flexible Hydrogelstruktur, in die insulinproduzierende Inselzellen eingebettet sind. Endothelzellen ermöglichen eine rasche Vaskularisierung, wodurch die Funktionalität der Zellen erhalten bleibt und ihre Immunexposition reduziert wird.
Zu den im Projekt entwickelten Schlüsselinnovationen zählen ein an der Universität Genf entwickeltes Hydrogel zur Förderung der Gefässbildung, vorvaskularisierte Inselorganoide vom Schwein, ein bioartifizielles Pankreas auf Xenotransplantationsbasis sowie ein menschliches bioartifizielles Pankreas für präklinische Anwendungen.
Schweizer Life-Science-Forschung im europäischen Netzwerk
Das Projekt wurde von Ekaterine Berishvili, Professorin an der Medizinischen Fakultät der Universität Genf und Leiterin des Labors für Zellisolierung und -transplantation am Universitätsspital Genf, koordiniert. Das Konsortium vereinte Partner aus Frankreich, Deutschland, Italien und den Niederlanden und deckte Kompetenzen in Zellbiologie, Immunologie, Gen-Editing, Biomaterialien, Transplantationsmedizin und Ethik ab.
Berishvili betont den Übergang in die nächste Entwicklungsphase:
«Die Wissenschaft schreitet voran und die Grundlagen sind gelegt, jetzt geht es darum, den Weg zu den Patientinnen und Patienten zu ebnen.»
Regulatorische und ethische Einbettung
Neben der technologischen Entwicklung adressierte das Projekt auch regulatorische und ethische Fragestellungen. Erarbeitet wurden Schulungsmaterialien, Informationsangebote für Patientinnen und Patienten sowie Empfehlungen für frühe klinische Studien. Zudem entstand ein Positionspapier zur Harmonisierung der europäischen Regulierung für neuartige Therapien auf Basis von Genen, Zellen oder Geweben.
Berishvili verweist dabei auf den gesellschaftlichen Anspruch der Forschung:
«Fortschritte müssen zugänglich sein – und nicht exklusiv. 1921 entdeckten Banting und Best das Insulin in einem bescheidenen Labor in Toronto, getrieben von der Not, nicht von der Bürokratie. Banting sagte: „Insulin gehört der Welt.“ Heute ist unsere Wissenschaft stärker, aber unser Zögern ist grösser. Mit Zusammenarbeit und Entschlossenheit können wir Innovationen aus dem Labor an das Bett der Patienten bringen.»