Graphen gilt als «Wundermaterial»: Nur eine Atomlage dick, extrem leitfähig und stabil, findet es Anwendung in flexiblen Displays, Sensoren, Batterien oder Solarzellen. Nun hebt eine neue Studie das Potenzial auf ein neues Level. Forschende an der Universität Göttingen und Partner aus Braunschweig, Bremen und der Schweiz konnten erstmals direkt beobachten, wie in Graphen sogenannte Floquet-Effekte entstehen. Damit ist bewiesen, dass Floquet-Engineering auch in metallischen und halbmetallischen Quantenmaterialien funktioniert.
Mit Lichtpulse Materialeigenschaften verändern
Floquet-Engineering beschreibt eine Methode, bei der Materialeigenschaften gezielt durch kurze Lichtpulse verändert werden. Für den Nachweis nutzten die Wissenschaftler Femtosekunden-Impulsmikroskopie: Proben wurden mit ultrakurzen Laserpulsen angeregt und mit einem verzögerten Lichtpuls untersucht, um die Dynamik sichtbar zu machen. «Unsere Messungen beweisen eindeutig, dass sogenannte Floquet-Seitenbänder im Photoemissionsspektrum von Graphen auftreten», erklärt Dr. Marco Merboldt, Physiker an der Universität Göttingen und Erstautor der Studie. «Damit ist klar: Floquet-Engineering funktioniert tatsächlich in diesen Systemen – und das Potenzial ist riesig.»
Elektronik der Zukunft im Blick
Die Ergebnisse zeigen, dass Materialien durch Licht massgeschneidert werden können. «Unsere Ergebnisse eröffnen neue Wege, elektronische Zustände in Quantenmaterialien mit Licht zu steuern. Das kann zu Technologien führen, bei denen Elektronen gezielt und kontrolliert manipuliert werden», sagt Prof. Dr. Marcel Reutzel, der die Untersuchung gemeinsam mit Prof. Dr. Stefan Mathias geleitet hat. Er ergänzt: «Besonders spannend ist, dass wir so auch topologische Eigenschaften untersuchen können. Das sind spezielle, sehr stabile Eigenschaften, die für robuste Quantencomputer oder neue Sensoren wichtig sein könnten.»
Perspektiven
Mit dem Nachweis der Floquet-Effekte in Graphen rückt die gezielte Beeinflussung elektronischer Zustände in greifbare Nähe. Die Erkenntnisse könnten den Weg ebnen für neue Materialien in der Computertechnik, Sensorik und Quantenforschung – und damit die Elektronik der Zukunft prägen.
Literatur
Marco Merboldt, Michael Schüler, David Schmitt, Jan Philipp Bange, Wiebke Bennecke, Karun Gadge, Klaus Pierz, Hans Werner Schumacher, Davood Momeni, Daniel Steil, Salvatore R. Manmana, Michael A. Sentef, Marcel Reutzel, Stefan Mathias; «Observation of Floquet states in graphene»; Nature Physics, Volume 21, 2025-5-6