Häufig werden Phthalate in Produkten des Niedrigpreissektors gefunden.

Übersicht der gefundenen Phthalatverbindungen in Gegenständen

Verkaufsverbote für Gegenstände mit besonders besorgniserregenden Stoffen

Publiziert

Das Kantonale Laboratorium Basel-Stadt hat im Rahmen einer nationalen Kampagne Kunststoffgegenstände auf besonders besorgniserregende und verbotene Phthalate untersucht. Bei 28 von 70 beprobten Betrieben wurde ein Verkaufsverbot ausgesprochen. Die Umsetzung von Verboten in der Chemikalienbrache ist laut Chemsuisse ungenügend.

Besonders besorgniserregende Stoffe oder SVHC (Substances of Very High Concern) sind chemische Verbindungen, bei denen nach den Kriterien des Chemikalienrechts besonders gefährliche Eigenschaften identifiziert wurden und die schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen oder auf die Umwelt haben können. Eine kritische Stoffklasse mit solchen Eigenschaften sind die Phthalate, welche hauptsächlich als Weichmacher für Kunststoffe eingesetzt werden. Sie werden industriell hergestellt und in grossen Mengen für Verbraucherprodukte wie Bodenbeläge, Kabel, Schläuche und Verpackungen verwendet. Einige Phthalate werden seit längerer Zeit als hormonaktiv, endokrin disruptiv und auch als fortpflanzungsgefährdend eingestuft. Die Untersuchungen führten dazu, dass 2015 Verbote für das Inverkehrbringen und die Verwendung von vier Phthalatverbindungen ausgesprochen wurden mit einer Übergangsfrist bis Juli 2020. Darüber hinaus sind sie in Elektrogeräten sowie in Gegenständen für die Verwendung in Räumlichkeiten in Konzentrationen über 0.1% verboten. Im Rahmen einer koordinierten Kampagne im Jahr 2019 zur Informationspflicht des Detailhandels bei Produkten, die SVHC enthalten, wurde festgestellt, dass noch etliche Gegenstände im Handel erhältlich sind, die verbotene Phthalatverbindungen enthalten. Daher haben Bund und Kantone 2021 im Rahmen einer koordinierten Aktion eine schweizweite Marktkontrolle durchgeführt, um festzustellen, wie gut das Anwendungsverbot von verbotenen Phthalatverbindungen nach Ablauf der Übergangsfrist in der Schweiz umgesetzt ist. An der Kampagne unter der Leitung des Kantonalen Laboratoriums Basel-Stadt haben sich die Kantone BE, BS, SG, SO, TI, ZG, VD, VS, ZH sowie das Fürstentum Liechtenstein (FL) beteiligt.

Untersuchungsziele
Im Rahmen der nationalen Marktkontrollkampagne wurde überprüft, ob Gegenstände im Handel erhältlich sind, welche verbotene Phthalate enthalten. Da Weichmacher in allen möglichen Gebrauchsgegenständen vorkommen können, wurden keine spezifischen Vorgaben zu den zu kontrollierenden Betrieben gemacht. Aufgrund früherer Kampagnen im In- und Ausland war aber bekannt, dass solche Produkte im Detailhandel häufig in tiefpreisigen Alltagsgegenständen vorkommen.

Gesetzliche Grundlagen
Die Schweizerische Chemikaliengesetzgebung legt in den Anhängen der Chemikalien-Risikoreduktion-Verordnung (ChemRRV) fest, welche Chemikalien verboten bzw. beschränkt sind oder nicht in Gegenständen vorkommen dürfen. Anhang 1.17 ChemRRV führt diejenigen SVHC auf, deren Inverkehrbringung und Verwendung verboten sind. Unter den genannten Stoffen sind auch die vier Phthalate Bis(2-ethylhexyl)phthalat (DEHP), Dibutylphthalat (DBP), Diisobutylphthalat (DIBP) und Benzylbutylphthalat (BBP) geführt. Ausgenommen sind lediglich Verwendungen, die in der Schweiz oder einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU) bzw. der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) eine Zulassung erhalten haben. Da die Verbote des Inverkehrbringens und der Verwendung von Stoffen, die im Anhang 1.17 ChemRRV aufgeführt sind, nicht weltweit gelten, müssen weitere risikoreduzierende Massnahmen getroffen werden, um sicherzustellen, dass die Exposition von Konsumentinnen und Konsumenten gegenüber solchen Stoffen möglichst gering bleibt. Deshalb sind die vier oben genannten Phthalatverbindungen, zusätzlich zu ihrer Einstufung als SVHC, weiteren Verbotsbestimmungen unterstellt. So dürfen Gegenstände, die eine oder mehrere der oben genannten Phthalatverbindungen in einer Konzentration von mehr 0.1% (Summe) enthalten, seit Juli 2020 nicht mehr in Verkehr gebracht werden (Anhang 1.18 ChemRRV). Elektro- und Elektronikgeräte und deren Teile, die mehr als 0.1%dieser Phthalatverbindungen enthalten sind bereits seit Juli 2019 nicht mehr verkehrsfähig (Anhang 2.18 ChemRRV). Ausnahmen gelten lediglich für Messgeräte im Laborbereich, sowie für Gegenstände, die ausschliesslich für die industrielle oder landwirtschaftliche Verwendung oder für die Verwendung im Freien bestimmt sind, sofern kein Phthalat enthaltendes Material mit der menschlichen Schleimhaut oder für längere Zeit mit der menschlichen Haut in Berührung kommt.

Durchführung und Prüfverfahren
Die an der nationalen Kampagne teilnehmenden Kantone haben in Verkaufsstellen Kunststoffgegenstände mittels mobiler FTIR-Spektroskopie auf spezifische o-Phthalatverbindungen überprüft. Hinweise auf Phthalatbelastungen in Kunststoffgegenständen werden dank dieser Methode vor Ort innert Sekunden erkannt. Gegenstände, die mit diesem Screening positiv waren, wurden erhoben und in kantonalen Laboren der Kantone Basel-Stadt, Genf, St. Gallen und Zürich auf Anwesenheit verschiedener Phthalatverbindungen untersucht. Bei Bestätigung einer Grenzwertüberschreitung von 0.1%von einer der vier verbotenen Phthalatverbindungen wurden durch die Kantone Verkaufsverbote ausgesprochen.

Beschreibung der kontrollierten Verkaufsstellen und Produkte
Insgesamt wurden 802 Gegenstände in 70 unterschiedlichen Verkaufsstellen kontrolliert. Die Produkte umfassten ein breites Sortiment, wie Haushaltartikel, Verpackungsmaterialien, Sportartikel, Elektronikgeräte und Artikel für das Heimwerken. Bei den kontrollierten Verkaufsstellen handelte es sich sowohl um nationale Detailhandelsmärkte wie auch um nur lokal tätige Geschäfte.

Ergebnisse
648 von 802 in den Verkaufsstellen mittels mobiler FTIR-Spektroskopie untersuchten Gegenstände ergaben keinen Hinweis auf das Vorhandensein von Phthalatverbindungen. 154 Proben jedoch wurden aufgrund der Messungen als Verdachtsproben erhoben. 49 dieser 154 im Labor untersuchten Gegenstände wiesen eine Belastung durch verbotene Phthalatverbindungen in einer Konzentration von mehr als 0.1% auf im Bereich von 0.12% bis 48.50% (Median 18.40%) und erforderten ein Verkaufsverbot. Solche Gegenstände wurden in insgesamt 28 Verkaufsstellen festgestellt. Mindestens weitere 35 Produkte enthielten Phthalatverbindungen, welche zurzeit noch nicht als besonders besorgniserregend betrachtet werden (beispielsweise Diisononylphthalat (DINP) und Diisodecylphthalat (DIDP)) und in Gegenständen noch erlaubt sind. Die Verteilung der verschiedenen Phthalate in den untersuchten Produkten ist in der nachfolgenden Tabelle zusammengefasst, wobei zahlreiche Produkte mehrere Phthalatverbindungen enthielten (Tabelle).

Massnahmen
28 betroffene Verkaufsstellen wurden aufgefordert, ab sofort den beanstandeten Gegenstand nicht mehr abzugeben (Verkaufsverbot) und die Bestände der beanstandeten Probe aus ihren Filialen zurückzuziehen.

Die betroffenen Verkaufsstellen wurden aufgefordert, der kantonalen Vollzugsstelle schriftlich mitzuteilen, wie viele Waren entsprechend der beanstandeten Probe noch vorhanden sind und einen Vorschlag zur rechtmässigen Art der Verwertung oder Vernichtung zu unterbreiten. Zudem mussten sie angeben, wie anhand eines Selbstkontrollkonzepts dafür gesorgt wird, dass die gesetzlichen Vorgaben bezüglich verbotenen Inhaltsoffen in Gegenständen in Zukunft eingehalten werden. 

Schlussfolgerung
Die Tatsache, dass noch zahlreiche Gegenstände besonders besorgniserregende Phthalate wie DEHP, DBP, DIBP und BBP enthalten, ist sehr unerfreulich und zeigt, dass die Umsetzung der chemikalienrechtlichen Verbote von Gegenständen ein Jahr nach Inkrafttreten mangelhaft ist. Der Import solcher Produkte ist seit Juli 2020 verboten (bzw. seit Juli 2019 für Elektro- und Elektronikgeräte). Bedenklich ist insbesondere die Tatsache, dass in vielen Betrieben noch solche Produkte gefunden wurden, obwohl sie bereits in der nationalen Kampagne 2019 mit Verkaufsverboten konfrontiert wurden. Phthalate sind nicht chemisch gebunden und können durch Abrieb und andere physikalische Beanspruchungen zu kumulativen Expositionen für Mensch und Umwelt führen und als Mischungsexposition unerwünschte Wirkungen, beispielsweise endokrin disruptive oder reproduktionstoxische Effekte, hervorrufen. Deshalb ist die strenge Regulierung dieser Stoffgruppe, insbesondere der SVHC-Phthalate weiter mit hoher Dringlichkeit zu verfolgen. Die Kampagnenresultate zeigen, dass zahlreiche Importeure sich nicht frühzeitig um Verbotsbestimmungen kümmern, respektive zu wenig kontrollieren, ob ihre Angebote SVHC enthalten könnten.

Informationen zu Phthalaten
Phthalate sind Ester der ortho-Phthalsäure (1,2-Benzoldicarbonsäure) mit verschiedenen Substituenten wie Alkoholgruppen. Der allergrösste Teil der Phthalate findet Anwendung als Weichmacher in Kunststoffen, vor allem in PVC. Noch im Jahr 2010 dominierten die Phthalate den Markt der Weichmacher. Steigendes Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein führte jedoch seither zu vermehrtem Ersatz von Phthalaten. Nebst der Einstufung der vier Phthalate DEHP, DBP, DIBP und BBP als zulassungspflichtige Stoffe durch die europäische Chemikalienbehörde ECHA, sind fünf weitere Phthalate unter Beobachtung und figurieren auf der so genannten Kandidatenliste der zulassungspflichtigen Stoffe (BMEP, PIPP, DIPP, DPP und DnHP). Diese Stoffe könnten nach weiteren Abklärungen künftig ebenfalls stärker reguliert werden. Seit dem Verbot der vier oben genannten Phthalate finden vor allem die längerkettigen Phthalate DINP (Diisononylphthalat), DIDP (Diisodecylphthalat) und DPHP (Dipropylheptylphthalat) Verwendung, weil diese gegenwärtig hinsichtlich ihrer Wirkungen auf die menschliche Gesundheit als weniger problematisch eingestuft werden, obwohl DINP und DIDP in Spielzeugen, die von Kindern in den Mund genommen werden können, verboten sind. 

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Bezugsquellenverzeichnis