Von «negativen CO2-Emissionen» spricht man, wenn bei einem Prozess der Atmosphäre mehr Kohlenstoffdioxid entzogen wird, als er produziert. Pflanzen erzeugen negative Emissionen: Wenn ein Teil des Kohlenstoffs langfristig im Boden verbleibt, so sind Wälder beispielsweise insgesamt CO2-negativ. Das ist der Grund, warum verschiedene Organisationen sich dafür einsetzen, möglichst viele Bäume zu pflanzen. «Bäume zu pflanzen ist auf jeden Fall ein wichtiger Bestandteil einer klimaneutralen Zukunft», sagt Mirko Kleingries, Leiter des Kompetenzzentrums Thermische Energiesysteme und Verfahrenstechnik der Hochschule Luzern. «Doch sie wachsen langsam und benötigen viel Land. Wir brauchen deshalb weitere Methoden, um der Atmosphäre CO2 zu entziehen.» So haben er und sein Team sich intensiv mit Algen beschäftigt - mit Mikroalgen, genau genommen.
Reaktoren für schnelles Wachstum
Mikroalgen heissen die Pflanzen deshalb, weil sie unglaublich winzig sind - ein Gramm von ihnen kann zwei Milliarden Algen enthalten. Diese Kleinstlebewesen haben gleich mehrere Vorteile: Dadurch, dass sie nicht wachsen, sondern sich teilen, vermehren sie sich in kurzer Zeit. Weil sie so klein sind, nehmen sie Nährstoffe schnell auf. Sie binden ausgesprochen viel CO2 - bis zu 70 Prozent ihrer Masse kann aus Kohlenstoff bestehen. Jedes dieser Kohlenstoffatome hat vorher einem Kohlendioxidmolekül in der Atmosphäre angehört. Darüber hinaus kommen die Mikroalgen auch in unseren Ökosystemen natürlich vor und sind anspruchslos. «Sie brauchen nur Wasser, Licht, CO2 und Nährstoffe, insbesondere gebundenen Stickstoff», erklärt Kleingries. Er und sein Team, in dem sich auch Master-Studierende befinden, entwickelten deshalb in den vergangenen zwei Jahren auf dem Campus Horw Bioreaktoren, die bestmögliche Bedingungen für ein schnelles Wachstum der Mikroalgen bieten. Wichtig ist dabei, dass die Züchtung der Algen möglichst wenig Energie verbraucht, um den Effekt nicht zunichtezumachen. «Wir züchten die Algen mit natürlichem Tageslicht», verdeutlicht Kleingries. Die Bioreaktoren haben einen weiteren Vorteil gegenüber anderen Methoden, die zum Beispiel an der Küste mit Meerwasser arbeiten: Es dringen kaum Bakterien in die Algenzucht, die sonst das Wachstum zum Erliegen bringen können; die Bioreaktoren am Campus Horw sind geschlossene Systeme.
Vom Forschungsprojekt zum Start-up
Die Gebert Rüf Stiftung hat dem Projekt Anfang Mai die «First Ventures»-Unterstützung zugesagt. Damit sollen nun hocheffiziente Bioreaktoren entwickelt werden, die fast ausschliesslich mit natürlichem Sonnenlicht arbeiten. Sind die Projektergebnisse vielversprechend, soll das Start-up Arrhenius AG gegründet werden. Zu den Gründungsmitgliedern werden auch Masterabsolventen und -absolventinnen gehören. Ihr Ziel: diese Technologie weiterentwickeln und auf den Markt bringen. Im Moment hat ein Reaktor einen Flächenbedarf von etwa 20 m2 und kann jährlich über eine Tonne CO2 binden. Allerdings: der jährliche CO2-Ausstoss pro Person beträgt in der Schweiz aktuell rund fünf Tonnen. Ziel ist es deshalb, grössere und leistungsfähigere Reaktoren zu bauen. Finanzieren will das Start-up dies über Klimazertifikate.Haben die Mikroalgen ihren Dienst getan, so können sie getrocknet und anschliessend vergraben werden. Wichtig ist, dass sie nicht in Kontakt mit Sauerstoff kommen. Dafür müssen sie etwa einen Meter unter der Erde liegen. «Negative Emissionen allein können unsere Probleme nicht lösen - in erster Linie müssen wir immer noch weniger Energie verbrauchen und den CO2-Ausstoss dramatisch reduzieren. Aber Mikroalgen können zusätzlich einen wichtigen Beitrag leisten, um unsere Klimaziele zu erreichen», fasst Mirko Kleingries zusammen.
First-Ventures-Unterstützung der Gebert Rüf Stiftung
Mit «First Ventures» fördert die Gebert Rüf Stiftung Bachelorund Masterstudierende von Fachhochschulen, die in ihrer Abschlussarbeit eine innovative Geschäftsidee entwickeln. Die Unterstützung umfasst einen finanziellen Projektbeitrag von bis zu CHF 150’000 sowie ein individuell abgestimmtes Coachingprogramm.
Die Gebert Rüf Stiftung ermutigt damit talentierte Bachelorund Masterstudierende dazu, nebst dem formalen Studienabschlusses auch eine Start-up-Gründung ins Auge zu fassen. Ziel ist es, eine Kultur der «Science Entrepreneurship» zu fördern und so das unternehmerische Potenzial an den Fachhochschulen zu stärken.