Die Verbindung, das sogenannte Chlornitramid-Anion (Cl–N–NO₂⁻), wurde als Endprodukt der Zersetzung von anorganischem Chloramin identifiziert, einem häufig verwendeten Desinfektionsmittel. Diese Entdeckung markiert einen Meilenstein in der Wasserchemie, da die Verbindung seit den 1980er Jahren bekannt, aber bislang nicht identifizierbar war.
Jahrzehntelanges Rätsel gelöst
Chloramine werden zur Desinfektion von Trinkwasser eingesetzt und schützen weltweit Millionen Menschen vor Krankheiten wie Cholera und Typhus. Dennoch entstehen bei der Verwendung Nebenprodukte, die potenzielle Gesundheitsrisiken bergen. Das Chlornitramid-Anion ist eine stabile Chemikalie mit geringem Molekulargewicht, deren toxikologische Eigenschaften bislang unbekannt sind. Seine Ähnlichkeit mit anderen toxischen Verbindungen gibt Anlass zur Sorge, und weitere Studien zur Toxizität und Verbreitung sind dringend erforderlich.
Kristopher McNeill, Professor für Umweltchemie an der ETH Zürich, erklärt: „Die Identifizierung dieser Verbindung ist ein Durchbruch. Jahrzehntelang scheiterte die Forschung an begrenztem Verständnis der Chemie und unzureichenden Analysewerkzeugen.“
Zusammenarbeit über Kontinente hinweg
Die Entdeckung ist das Ergebnis einer internationalen Zusammenarbeit. Julian Fairey von der University of Arkansas begann vor zehn Jahren, die Verbindung zu untersuchen, und synthetisierte sie schließlich in seinem Labor. Die Analyse erfolgte in der Schweiz, wo Fairey während eines Sabbaticals an der ETH Zürich mit McNeill und Juliana Laszakovits, Postdoktorandin an der ETH, zusammenarbeitete. Schweizer Leitungswasser, das keine Chloraminierung enthält, wurde dabei als Kontrollprobe genutzt.
Relevanz für Trinkwasser weltweit
Die aktuelle Studie konzentrierte sich auf Wassersysteme in den USA, wo über 113 Millionen Menschen chloraminiertes Trinkwasser konsumieren. Auch Länder wie Italien, Frankreich und Kanada verwenden diese Methode zur Desinfektion. In der Schweiz hingegen wird Chloraminierung nicht praktiziert.
Nächste Schritte: Bewertung der Gesundheitsrisiken
Die Entdeckung des Chlornitramid-Anions ermöglicht erstmals gezielte Toxizitätsstudien. Fairey erklärt: „Wir wissen, dass die Desinfektion von Trinkwasser eine chronische Toxizität verursachen kann, doch die chemischen Verbindungen, die dafür verantwortlich sind, sind oft unbekannt.“ Nun sollen Wissenschaftler:innen und Aufsichtsbehörden untersuchen, ob die Verbindung mit Gesundheitsrisiken wie Krebs in Verbindung steht.
Diese Entdeckung markiert einen wichtigen Schritt in der Trinkwasserforschung und könnte langfristig dazu beitragen, die Sicherheit von chloraminiertem Trinkwasser weltweit zu verbessern.