Grossflächige Verbrennungen der Haut bedeuten oft ein jahrelanges Martyrium für die Betroffenen – inklusive schmerzhafter medizinischer Komplikationen. Mit dem innovativen Produkt denovoSkin will die Cutiss AG – gegründet als Ausgliederung der Universität Zürich und des Universitäts- Kinderspitals Zürich – die Hautchirurgie auf die nächste Stufe heben und die derzeitigen Behandlungsmethoden revolutionieren. Bei denovoSkin handelt es sich um ein Hauttransplantat aus körpereigenen Zellen der Patienten. Es verspricht, mitzuwachsen, die Narbenbildung zu begrenzen und die Anzahl der erforderlichen Folgeoperationen drastisch zu reduzieren. Eine besondere Erleichterung bedeutet das für Kinder, die bei den bisherigen Transplantations-Verfahren Dutzende von Operationen über sich ergehen lassen müssen. Bei der derzeitigen Standardbehandlung – der Autotransplantation – ist aufgrund zu weniger körpereigene Spenderstellen die Haut oft nicht in ausreichender Menge verfügbar oder sie ist zu dünn. Die Folge: Die offenen Wunden werden zu dauerhaften, schmerzhaften und entstellenden Narben, die häufig durch Folgeoperationen korrigiert werden müssen. Jährlich erleiden weltweit rund elf Millionen Menschen schwere Verbrennungen.
Die von Cutiss entwickelte personalisierte, biotechnologisch hergestellte Haut wächst nicht nur mit, sie kann auch in grosser Menge hergestellt werden. Ausgehend von einem briefmarkengrossen Stück wird die gesunde Haut der Patienten flächenmässig um mindestens das 100-Fache vervielfältigt. Dabei werden die Zellen zunächst isoliert, dann vervielfältigt und schliesslich mit Kollagen kombiniert, um neues Gewebe zu formen. denovoSkin befindet sich in der Schweiz und in der Europäischen Union in der späten Phase der klinischen Prüfung.
Ohne Automatisierung keine Wirtschaftlichkeit
Aktuell erfolgen biotechnologische Herstellungsprozesse zumeist noch von Hand. Diese manuellen Prozesse kosten Zeit, erfordern viel hoch spezialisiertes Personal und sind deshalb teuer. Von Beginn an war Cutiss deshalb klar: Ein Wachstum basierend auf dem manuellen Verfahren allein wäre eine grosse Herausforderung. Ein entscheidender Schritt für das Life-Science-Start-up ist daher die Automatisierung. Bei der Entwicklung des automatisierten Prozesses, der den Produktionsaufwand für die biotechnologisch hergestellte Haut minimieren soll, wurde Cutiss von dem Innovationsdienstleister Zühlke unterstützt. In einem agilen Vorgehen und in einem interdisziplinären Team führte Zühlke detaillierte Analysen durch und erarbeitete gemeinsam mit den Experten von Cutiss das Konzept für einen auf das Wesentliche reduzierten automatisierten Prozess. Dabei hat Zühlke sowohl technologische als auch ökonomische Expertise eingebracht. Das Team des Innovationsdienstleisters bestand aus Kunststoffexperten, Elektronikingenieuren, Softwareentwicklern und Usability Experten.
Auf der Seite von Cutiss waren Biologen, Ärzte und Laborwissenschaftler eingebunden. Gestartet wurde mit einer Prozess- Analyse, Interviews sowie Beobachtungen im Labor. Bis ins kleinste Detail wurden alle Schritte und Parameter des manuellen Prozesses aufgenommen. Es wurde diskutiert und gebrainstormt. Um den Know-how-Transfer sicherzustellen, kamen die Teams über Monate mindestens einmal in der Woche zusammen. Entwickelt wurde zunächst folgender Prozess: Entnommen wird eine Biopsie, die in ein Labor geschickt wird, wo sie innerhalb von 48 Stunden ankommen muss. Dann kommt die Haut in ein Gerät, in dem die Zellen isoliert werden. Von da kommen die Zellen in ein Vervielfältigungsgerät und anschliessend in ein Tissue-Formation- Modul, in dem aus ihnen das neue Gewebe entsteht. Zum Schluss wird die Haut wieder in die Klinik gebracht.
Im nächsten Schritt wurde ein Closed System entwickelt, in dem die Haut während des gesamten Verarbeitungsprozesses verbleiben kann. So wird der sterile Raum auf ein Minimum reduziert: auf ein Kunststoff-Disposable. Die Zellen verlassen dieses geschlossene System auf dem Weg vom Krankenhaus zu Cutiss und wieder zurück zu den Patienten nie. Die Zellen werden innerhalb des Disposable durch Schläuche von einem Container in den nächsten gepumpt. Der Vorteil: Die Produktion der biotechnologisch hergestellten Haut ist damit optimiert, sicher und kann skaliert werden.
Kosten deutlich reduziert
Darüber hinaus können durch die vollständige Automatisierung die Kosten massiv reduziert werden. Dass dieses Konzept im Bereich der Zellisolierung tatsächlich funktioniert – technisch und biologisch – zeigte schon ein erster funktionaler Prototyp, den Zühlke innerhalb von nur fünf Monaten entwickelt hat. Dieser Proof of Concept bewies, dass die Hautzellen tatsächlich automatisiert isoliert werden können. Der Prozess ist das weltweit erste Beispiel für ein automatisiertes Verfahren, bei dem aus patienteneigenen Zellen Keratinozyten und Fibroblasten getrennt gesammelt werden.
Damit war der erste Prototyp ein wichtiger Meilenstein für Cutiss. Gezeigt werden konnte zudem: Die Automatisierung des Prozesses spart Hunderte Arbeitsstunden und Hunderte Liter an Einwegprodukten (beispielsweise aus Kunststoff) pro Patient, die bei dem manuellen Prozess im Labor anfallen.
Nach der erfolgreich abgeschlossenen Testphase des Proof of Concept hat Zühlke eine neue Generation dieses Gerätes für die Zellisolierung entwickelt. Dabei handelt es sich um ein optimiertes R&DGerät, das für die weitere Forschung und Prozessoptimierung eingesetzt wird. Anders als beim ersten kleiderschrank-grossen Gerät besteht bei der aktuellen Table- Top-Version nun sämtliches Kunststoffzubehör, das mit dem Gewebe und den Zellen des Patienten in Kontakt kommt, aus einem Stück. Dieses kann nach Gebrauch einfach entsorgt werden.
Vollautomatische Zellisolierung ist möglich
Mit dem von Zühlke entwickelten Gerät werden die Zellen vollautomatisch isoliert, bis man am Ende zwei Beutel mit den beiden verschiedenen Zelltypen erhält. Zur Zellisolierung sind keine manuellen Eingriffe mehr nötig. Dadurch wird nicht nur Zeit gespart, sondern auch das Risiko einer mikrobiellen Kontamination stark reduziert. Eine Lösung, die überzeugt: Für das Disposable-Set mit smarter Einlegehilfe, für das mehrere Kunststoff-Herstellungsverfahren kombiniert wurden, wurden Cutiss und Zühlke im Rahmen der Swiss Plastics Expo 2023 mit dem Award für Engineering ausgezeichnet.
Das von Zühlke entwickelte Isolationsgerät ist Teil des gesamten Automatisierungsprogramms von Cutiss, für den in Zusammenarbeit mit dem Innovationspartner CSEM eine weitere Maschine zur Produktion der biotechnologisch hergestellten Haut entwickelt wurde. Zudem wird ein auf dem Markt erhältliches Zellexpansionsgerät der Firma Terumo für den Einsatz bei Cutiss getestet. Für die Entwicklung des Automatisierungsprozesses erhielt Cutiss Fördergelder von Innosuisse und dem EU-Forschungsprogramms Horizon 2020.
IFAS
Fachmesse für den Gesundheitsmarkt
Datum: 22.-24. Oktober 2024
Ort: Zürich (CH)