Das kürzlich verabschiedete deutsche Lieferkettengesetz spaltet die chemische Industrie: Zwar geht mehr als die Hälfte der befragten Chemiemanager von positiven Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit in der Lieferkette aus. Ein Großteil fürchtet jedoch die damit verbundene Bürokratie, die speziell mittelständische Unternehmen personell und finanziell überfordern wird. Mit dem Chemiestandort Deutschland sind nur noch 6 von 10 Managern zufrieden.
Das sind die Ergebnisse des 37. CHEMonitor-Trendbarometers, für das Innofact im Auftrag von CAMELOT Management Consultants und der Fachzeitung CHEManager Top Manager der deutschen Chemieindustrie im September und Oktober 2021 befragte. "Die Zufriedenheit mit dem Standort Deutschland hat deutlich nachgelassen, speziell im Hinblick auf die Logistik und die Verfügbarkeit von Rohstoffen", kommentiert Dr. Josef Packowski, Managing Partner bei CAMELOT, die CHEMonitor-Ergebnisse. Bei dem Standortfaktor Rohstoffverfügbarkeit sanken die positiven Bewertungen im Vergleich zur letzten Befragung um 20 Prozentpunkte, bei Infrastruktur und Logistik um 13 Prozentpunkte. "Chemieunternehmen, die bereits intensiv an der Verbesserung ihrer Supply-Chain-Resilienz arbeiten, besitzen jetzt einen klaren Wettbewerbsvorteil", so Josef Packowski.
Lieferkettengesetz: Herausforderung und Chance
Schwerpunktthema der aktuellen CHEMonitor-Studie ist das neue deutsche "Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz", das im Juni dieses Jahres verabschiedet wurde. Es regelt die unternehmerische Sorgfaltspflicht entlang der gesamten Lieferkette und verpflichtet Unternehmen branchenübergreifend zum Schutz von Menschenrechten sowie Arbeits- und Umweltstandards. Das Gesetz wird für Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitenden zum Jahr 2023 bzw. ab 1.000 Mitarbeitenden zum Jahr 2024 verbindlich.
Knapp die Hälfte der CHEMonitor-Umfrageteilnehmer (46%) hält das Gesetz für notwendig, weil bislang zu wenige Unternehmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung nachgekommen sind. "Trotz der freiwilligen Selbstverpflichtung setzt erst etwas mehr als die Hälfte der vom Lieferkettengesetz betroffenen Unternehmen die geforderten Maßnahmen größtenteils um", bestätigt Dr. Jörg Schmid, Studienleiter bei CAMELOT. So arbeiten derzeit nur 52% der befragten Unternehmen mit einem Verhaltenskodex für Lieferanten in ihren Verträgen und nur 44% nutzen ein Managementsystem für menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken.
Was die Umsetzung des Lieferkettengesetzes betrifft, sehen die Umfrageteilnehmer neben Bürokratiekosten (88%) und Rechtsunsicherheit bzgl. der Haftung (58%) auch fehlende Alternativen für kritische Lieferanten als Herausforderung. Der zu erwartende bürokratische Aufwand stellt vor allem den Chemiemittelstand vor personelle und finanzielle Probleme. "Insbesondere für mittelbar betroffene mittelständische Unternehmen bedeutet das Gesetz eine große Herausforderung, die sich nur mit übergeordneten IT-Lösungen bewältigen lässt", erläutert Studienleiter Schmid.
Trotz der vielen Herausforderungen sieht die Mehrheit der Studienteilnehmer das Gesetz als Chance, dass sich die Arbeitsbedingungen der Menschen entlang der Lieferkette verbessern.