In der Schweiz leben wir heute länger und besser, weil die Bevölkerung von innovativen Arzneimitteln profitiert und Zugang zu einer qualitativ hochstehenden Gesundheitsversorgung hat. Neue Behandlungsmöglichkeiten erlauben eine schnellere Wiedereingliederung von Patienten in den Arbeitsmarkt und senken damit Kosten für Arbeitgeber, Sozialversicherungen sowie das Gesundheitswesen insgesamt. Zusätzlich werden dadurch Familienangehörige und Freunde bei der Pflege ihrer Angehörigen entlastet. Pharmaunternehmen leisten nebst dem medizinischen Fortschritt aber auch einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft: Sie engagieren sich aktiv in der Kultur, fördern Freizeitangebote oder unterstützen Sportveranstaltungen. Die Branche ist sich auch ihrer Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Umwelt bewusst; sie reduziert klimarelevante Emissionen und engagiert sich für eine nachhaltige Entwicklung.
Die Pharmabranche als Motor der Schweizer Wirtschaft
Die Schweiz und die Pharmaindustrie gehen seit Jahrzehnten erfolgreich einen gemeinsamen Weg. Attraktive wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen haben in den vergangenen Jahrzehnten für eine beeindruckende Entwicklung der Branche von breit diversifizierten Chemieunternehmen bis hin zu hochinnovativen Biotechunternehmen gesorgt. Als wichtiger Pfeiler der Wirtschaft trägt die Branche überdurchschnittlich zum Wohlstand der Schweiz bei. Die forschenden pharmazeutischen Unternehmen investieren in der Schweiz jährlich rund 6,5 Mrd. Franken in die Forschung und Entwicklung (F&E). Mit jährlichen Ausfuhren von fast 90 Mrd. Franken ist sie die bedeutendste Exportbranche der Schweiz und steuert 5,4 Prozent zum Schweizer Bruttoinlandsprodukt bei. Rund 46 800 Beschäftigte erwirtschaften jedes Jahr 36 Mrd. Franken an Wertschöpfung.
Werden indirekte Beschäftigungseffekte berücksichtigt, hängen insgesamt 254 000 Arbeitsplätze vom Erfolg der Pharmabranche ab. Optimale Rahmenbedingungen bleiben für einen erfolgreichen und international konkurrenzfähigen Pharmastandort essenziell. Wirtschaftsfeindliche Vorstösse, die drohende Erosion der bilateralen Verträge mit der EU sowie wachsende Bürokratie- und Regulierungskosten gefährden die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz aber zunehmend. Zwar schafft die Digitalisierung viele Chancen, fordert uns aber auch zu einem beherzten Handeln auf. Nicht zuletzt fordert die demographische Entwicklung und die damit implizierten wirtschaftlichen und ethi-schen Fragen die ganze Gesellschaft.
Vision «Pharmastandort Schweiz 2030»
Die gegenwärtigen Herausforderungen kann kein Akteur im Alleingang meistern – es braucht eine gemeinsame Vorwärtsstrategie aller Beteiligten. Deshalb hat Interpharma mit ihrer Strategie «Pharmastandort Schweiz 2030» die Diskussion über die Zukunft des Pharmastandorts Schweiz lanciert ( >). Sie skizziert, wie Rahmenbedingungen geschaffen werden können, damit die Pharmabranche auch in Zukunft einen wesentlichen Beitrag an einen attraktiven Wirtschafts-, Forschungs- und Lebensstandort Schweiz leisten kann.
In den drei Themenbereichen «Der Patient im Mittelpunkt», «Führend in Forschung und Entwicklung» und «Starke wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen» werden die wichtigsten Hebel identifiziert, und es wird aufgezeigt, welche Beiträge die Branche sowie Politik und Behörden leisten müssen, um die Zukunft erfolgreich zu gestalten.
Vision 2030: Der Patient im Mittelpunkt
Die Gesundheit der Bevölkerung ist und bleibt für alle Akteure das oberste Ziel. Die Pharmabranche setzt sich dafür ein, dass die Schweizer Bevölkerung einen raschen und breiten Zugang zu innovativen, wirksamen und sicheren Medikamenten erhält, damit alle von mehr Gesundheit und Lebensqualität profitieren können. Dazu braucht die Schweiz auch in Zukunft eine unabhängige Zulassungsbehörde.
Swissmedic soll mittels schlanker und strukturierter Prozesse allen Patienten einen raschen und breiten Zugang zu innovativen Medikamenten und Therapien ermöglichen. Mit der Zulassung durch Swissmedic steht das Arzneimittel dem Patienten im heutigen System aber noch nicht zur Verfügung. Zuvor muss das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Vergütung durch die Grundversicherung festlegen.
Dank klar definierter und schnellerer Zugangs- und Vergütungsprozesse sollen Patienten in Zukunft am Tag der Marktzulassung durch Swissmedic («Tag 0») Zugang zu innovativen Arzneimitteln erhalten. Damit weiterhin Innovationen auf den Markt kommen, müssen solche nachhaltig finanzierbar sein. Das gegenwärtige System ist aber nicht auf die Herausforderungen von neuen innovativen Therapien vorbereitet. Für den institutionalisierten Vergütungsprozess braucht es deshalb Instrumente, die nach festgelegten Kriterien das Resultat bewerten und dabei den gesamten Patientennutzen und alle Kostenfolgen miteinbeziehen. Dies hat datenbasiert und unter Einbezug der relevanten Anspruchsgruppen zu passieren. Eine optimierte Preis- und Tariffestsetzung schafft damit Anreize zur Verbesserung der Effizienz im Gesundheitswesen und leistet so einen weiteren Beitrag zur Kostendämpfung.
Vision 2030: Führend in Forschung und Entwicklung
Die Schweiz hat eine lange Tradition in der klinischen Forschung und verfügt über hervorragende universitäre Kliniken und Hochschulen. Die sinkende Zahl in der Schweiz durchgeführter klinischer Studien zeigt aber, dass auch hier Handlungsbedarf besteht. Die Prozesse müssen insbesondere bei den Ethikkommissionen schneller und einfacher werden. Zudem braucht es für Studien mit innovativen Arzneimitteln und Therapien ein beschleunigtes Verfahren, und die Harmonisierung der Entscheide bei multizentrischen Studien muss verbessert werden.
Die Digitalisierung wird die Entwicklung und Anwendung von Arzneimitteln fundamental verändern. Für Daten, Algorithmen und die Resultate der Datenanalyse, aus denen innovative Therapien resultieren, besteht heute noch kein ausreichender Schutz. Es gilt daher, die rechtlichen Rahmenbedingungen für geistiges Eigentum so weiterzuentwickeln, dass Innovationen ausreichend geschützt werden können. Um im digitalen Wandel den Anschluss an die Weltspitze nicht zu verlieren, wird es für den Standort Schweiz entscheidend sein, ein weltweit führendes, integriertes Gesundheitsdaten-Ökosystem mit Schweizer Daten und Zugang zu ausländischen Daten zu schaffen.
Ein solches Ökosystem schafft einerseits eine Voraussetzung für erfolgreiche F&E, andererseits auch für ein nutzenbasiertes Preisfestsetzungssystem für medizinische Innovationen. Darüber hinaus sollen die Entwicklung und die breite Anwendung der personalisierten Medizin für Schweizer Patienten ermöglicht und gefördert werden.
Vision 2030: Starke wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen
Die politische Stabilität und die Rechtssicherheit sind wichtige traditionelle Stärken des Standorts Schweiz. Insbesondere die Spannungen in der Beziehung mit der EU führen aber zunehmend zu Rechtsunsicherheit. Für die Pharmabranche sind funktionierende Handelsbeziehungen mit der EU aber essenziell, geht doch rund die Hälfte des Exportvolumens von fast 90 Mrd. Franken in die EU. Aber auch die Sicherstellung der Personenfreizügig-keit gehört zu den zentralen Forderungen für die kommenden Jahre, denn die Pharmaindustrie benötigt überdurchschnittlich viele hochqualifizierte Mitarbeitende.
Der nationale Arbeitsmarkt ist für diesen Bedarf aber nicht gross genug und die Branche deshalb auch auf ausländische Fach- und Spitzenkräfte angewiesen. Die Schweiz hat heute ein wettbewerbsfähiges und anerkanntes fiskalisches Umfeld. Mit der Annahme der Volksabstimmung über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) ist die Planungs- und Rechtssicherheit für Unternehmen in steuerlichen Fragen aber nur kurzfristig gesichert. Forderungen nach harmonisierten Steuern oder nach einer Digitalsteuer durch die OECD gefährden einen wichtigen Standortfaktor der Schweiz.
Globaler Standortwettbewerb erfordert gemeinsames Handeln
Heute ist die Schweiz in vielerlei Hinsicht das führende Pharmacluster in Europa. Der weltweite Standortwettbewerb ist aber nicht zuletzt wegen der Globalisierung stärker denn je. Damit die Schweiz auch im Jahre 2030 von einem starken Pharmastandort Schweiz profitiert, müssen sowohl die Branche als auch der Regulator bereits heute Massnahmen zur Steigerung der Standortattraktivität ergreifen. Nur so kann dieser wichtige Wirtschaftszweig auch in Zukunft signifikant zu Wohlstand und Lebensqualität in der Schweiz beitragen. Die Chancen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit stehen gut. Bei allen Herausforderungen und unterschiedlichen Perspektiven weist die Schweiz immer noch eine starke Kultur der gemeinsamen Lösungsfindung auf. Zudem verfolgen die Akteure die gleichen übergeord-neten Ziele: Das Wohl der Patienten, einen starken Wirtschaftsstandort sowie Wohlstand und Lebensqualität für die Bevölkerung.
> Der vollständige Bericht «Pharmastandort Schweiz 2030» kann unter www.interpharma.ch auf Deutsch, Französisch und Englisch runtergeladen werden.
Dr. René P. Buholzer ist CEO von interpharma, dem Verband der forschenden Pharmaindustrie der Schweiz.