Ein Einblick in die Schlüsselprojekte Rocketvax, Torqur und Torpedo sowie die ehrgeizigen Ziele für 2025 und darüber hinaus.
Herr Dr. Cmiljanovic, könnten Sie uns Ihren beruflichen Werdegang und die wichtigsten Stationen kurz schildern?
Ich bin in Serbien aufgewachsen, in einer Familie von Chemikern und Handballspielern. Schon früh habe ich meine Leidenschaft für Sport und Wissenschaft kombiniert: Mit 15 wurde ich Nationalspieler der serbischen Juniorenauswahl und erhielt später ein Angebot, in Deutschland Handball zu spielen. Mein Studium führte mich schliesslich in die Schweiz, wo ich an der Universität Basel Chemie studierte. Der Handball half mir dabei, mein Studium zu finanzieren, das ich mit summa cum laude abschloss.
Wie kamen Sie von dieser Forschung zur Gründung eigener Unternehmen?
Während meines Studiums hatte ich das Privileg, mit Professor Bernd Giese zusammenzuarbeiten, einem Pionier in der organischen Chemie. Gemeinsam entwickelten wir die Idee, Enzyme gezielt zu blockieren, um Krebszellen auszuhungern. Diese Forschung führte zur Entwicklung des Medikaments Afinitor, das von Novartis auf den Markt gebracht wurde.
Der Erfolg dieser Arbeit motivierte mich, noch tiefer in die onkologische Forschung einzutauchen. Später schloss sich meine Schwester Natasa meiner Forschung an, und gemeinsam entwickelten wir duale PI3K-mTOR-Inhibitoren, eine bahnbrechende Entdeckung, die 2012 zur Gründung von Piqur Therapeutics führte. Mit Piqur sammelten wir über 100 Millionen Schweizer Franken ein und machten bedeutende Fortschritte in der Krebstherapie. Doch diese Erfahrung zeigte mir auch, wie wichtig es ist, ein ganzheitliches Unterstützungsmodell für Start-ups zu schaffen, das nicht nur finanzielle, sondern auch infrastrukturelle und strategische Unterstützung bietet. Mit dieser Vision gründete ich Swiss Rockets – ein Unternehmen, das Wissenschaftler auf allen Ebenen begleitet und innovative Therapien schneller auf den Markt bringt.
Swiss Rockets: Ein einzigartiges Geschäftsmodell
Was macht Swiss Rockets als Unternehmen einzigartig, und wie unterscheidet es sich von anderen Akteuren im Biotech-Sektor?
Swiss Rockets ist kein gewöhnliches Biotech-Unternehmen. Unser Konzept vereint die Funktionen eines Inkubators und eines sogenannten Disruptive Accelerators. Wir bieten Start-ups nicht nur Infrastruktur wie Büro- und Laborflächen, sondern auch direkten Zugang zu Produktionskapazitäten im industriellen Massstab. Das ist ein entscheidender Vorteil, da viele Unternehmen daran scheitern, ihre Entwicklungen von der Forschung in die industrielle Anwendung zu überführen.
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist unser unternehmerisches Engagement: Sowohl die Gründer als auch unsere Investoren beteiligen sich finanziell an den Projekten. Dieses starke Commitment zeigt, dass wir fest an unsere Vision glauben. Darüber hinaus bringen wir erfahrene Arzneimittelentwickler aus der globalen Big Pharma ein, die eng mit unseren Tochtergesellschaften zusammenarbeiten. Dadurch minimieren wir Risiken und stellen sicher, dass unsere Projekte eine solide industrielle Basis haben.
Unsere umfassende Infrastruktur, von regulatorischer Expertise über IP-Management bis hin zu internen Patentanwälten, ermöglicht es Forschern, sich voll auf die Produktentwicklung zu konzentrieren. Sobald ein klinisches Proof of Concept erreicht ist, lizenzieren wir die Produkte an Big Pharma oder verkaufen Start-ups. Die Erlöse fliessen teils an Investoren zurück und teils in neue Biotechprojekte. Ein Beispiel für unsere Innovationskraft ist unser Fokus auf drei Schlüsselprojekte:
❱ Rocketvax, eine Impfstoffplattform,
❱ Torqur, PI3K-mTOR-Inhibitoren, und
❱ Torpedo Pharmaceuticals, das mit Radioisotopen arbeitet, basierend auf den Entdeckungen meiner Frau an der ETH Zürich.
Unser Standort in Basel, einem der weltweit führenden Zentren für Pharma und Biotech, unterstützt diese einzigartige Vision. Swiss Rockets leistet einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der Branche in der Schweiz und darüber hinaus.
Schlüsselprojekte von Swiss Rockets
Erzählen Sie bitte mehr zu Ihren Schlüsselprojekten und welche Fortschritte im vergangenen Jahr erzielt werden konnten!
Unsere drei Schlüsselprojekte – Rocketvax, Torqur und Torpedo – adressieren unterschiedliche medizinische Herausforderungen: Impfstoffe, Krebstherapien und Radioligandentherapie. Sie repräsentieren unseren Anspruch, Patienten weltweit Zugang zu bahnbrechenden Therapien zu ermöglichen.
Worum geht es bei Rocketvax?
Rocketvax entwickelt eine neue Generation von Impfstoffen auf Basis lebend abgeschwächter Viren, die mithilfe der Reverse-Genetic-Engineering-Technologie hergestellt werden. Ein Beispiel ist unser nasaler Covid-19-Impfstoff, der durch starke lokale und systemische Immunantworten sowohl Infektionen als auch Übertragungen verhindert. Dank seiner Stabilität bei Raumtemperatur industriellen Herstellbarkeit hat er internationale Aufmerksamkeit erregt, darunter die finanzielle Unterstützung der US-Regierung in Höhe von Hunderten Millionen Dollar.
Worum geht es bei Torqur?
Torqur widmet sich der Entwicklung dualer PI3K-mTOR-Inhibitoren, die eine zentrale Rolle in der modernen Krebstherapie spielen. Diese Wirkstoffe greifen zwei entscheidende Enzyme an, die das Zellwachstum und den Energiestoffwechsel von Krebszellen regulieren. Das Besondere an Torqurs Ansatz ist die Vielseitigkeit der Substanzen: Neben der oralen Kapsel zur Behandlung verschiedener Tumore haben wir eine topische Formulierung entwickelt, die in Form einer Creme bei Hautkrebs angewendet wird. Die Phase-II-Studien zu dieser Creme haben beeindruckende Ergebnisse geliefert, und wir planen, noch in diesem Jahr Phase-III-Studien zu starten.
Um den Lesern die Bedeutung dieser Studienphasen zu verdeutlichen: Phase I testet die maximale Verträglichkeit des Wirkstoffs, Phase II untersucht die Wirksamkeit in einer kleinen Patientengruppe, und Phase III validiert diese Ergebnisse in einer grösseren Gruppe. Erst danach kann eine Marktzulassung beantragt werden.
Worum geht es bei Torpedo?
Torpedo konzentriert sich auf Radioligandentherapien mit Terbium-161, das präziser eine stärkere Strahlungsdosis in Tumorzellen liefert als bisherige Isotope. Hauptfokus ist die Behandlung von Prostatakarzinomen. Erste präklinische und klinische Ergebnisse sind vielversprechend, und die eigens aufgebaute Produktionsstätte für Terbium-161 ermöglicht eine effektive Umsetzung des theranostischen Ansatzes.
Könnten Sie uns erklären, wie Swiss Rockets diese Technologie nutzt, um die personalisierte Medizin voranzutreiben?
«Theranostik» ist ein revolutionärer Ansatz in der Onkologie, bei dem Diagnostik und Therapie nahtlos kombiniert werden. Unsere Radiopharmazeutika binden gezielt an spezifische Rezeptoren auf Tumorzellen und transportieren Radioisotope direkt dorthin, wo sie gebraucht werden, um Krebszellen präzise zu zerstören – ohne das umliegende gesunde Gewebe zu schädigen.
Die Methode folgt dem Prinzip: What we see is what we treat. Ein diagnostisches Isotop wie Gallium-68 macht Tumore im PET-CT-Scan sichtbar, bevor die Therapie mit einem therapeutischen Isotop wie Terbium-161 oder Lutetium-177 erfolgt. Dadurch können wir die Wirksamkeit direkt überprüfen und die Behandlung individuell anpassen.
Neben der Radioligandentherapie arbeiten wir an metabolischen Ansätzen, die Krebszellen gezielt «aushungern», und an der Aktivierung des Immunsystems, damit es Tumorzellen spezifisch bekämpft. Diese präzisen, schonenden Ansätze ersetzen ungezielte Chemotherapien und eröffnen eine neue Ära der Krebstherapie, in der wir Krebszellen sichtbar und angreifbar machen. Dieser Ansatz hat grosses Potenzial, die Therapie der Zukunft zu werden.
Die Biotech-Branche im Wandel
Während Swiss Rockets mit bahnbrechenden Technologien neue Massstäbe setzt, steht die Biotech-Branche vor grossen Herausforderungen und Chancen, die das Umfeld für Innovationen nachhaltig prägen. Wie können Sie hier die personalisierte Medizin in der Schweiz einordnen?
Die regulatorischen Anforderungen in der Schweiz stellen für die personalisierte Medizin nach wie vor eine Herausforderung dar, insbesondere im Bereich des Strahlenschutzes und der Patientenisolation bei Behandlungen mit Radioisotopen. Im internationalen Vergleich, etwa zu den USA, gelten in der Schweiz strengere Vorschriften, die eine grossflächige Anwendung innovativer Therapien erschweren.
Um den Zugang zu diesen Therapien zu erleichtern, braucht es dringend Anpassungen: Regulierungsprozesse sollten effizienter gestaltet und besser auf die spezifischen Bedürfnisse der personalisierten Medizin zugeschnitten werden. Eine Optimierung dieser Prozesse würde nicht nur den Patienten und Patientinnen zugutekommen, sondern auch die Innovationskraft des Biotech-Standorts Schweiz nachhaltig stärken.
Trotzdem sehen Sie grosses Potenzial für Biotech-Start-ups und -Unternehmen in der Schweiz?
Die Schweiz bietet enormes Potenzial für Biotech-Unternehmen, dank ihrer Innovationskraft und globalen Ausrichtung. Erfolgreiche Produkte können weltweit vermarktet werden, was nicht nur die Gesundheit verbessert, sondern auch die Schweizer Wirtschaft stärkt. Basel als führender Biotech-Standort schafft Arbeitsplätze und treibt Forschung sowie Innovation made in Switzerland voran.
Doch um dieses Potenzial auszuschöpfen, braucht es mutige Investoren. In Europa fehlt es nicht erst seit den jüngsten Krisen an Risikobereitschaft. Das steht ganz im Gegensatz zu den USA, wo Innovationen schneller gefördert werden. Diese konservative Mentalität führt zu einem «Braindrain», bei dem Talente und Innovationen in die USA abwandern. Europa muss lernen, mehr Risiko einzugehen, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben und den Zugang zu Kapital für Biotech-Projekte zu sichern.
Ziele für 2025 und darüber hinaus
Was sind die wichtigsten Ziele für Swiss Rockets und Ihre Tochterfirmen im Jahr 2025?
Unser Hauptziel ist es, den nasalen Covid-19-Impfstoff zügig durch die klinischen Phasen zu bringen – in enger Partnerschaft mit der USRegierung, die operativ eine Führungsrolle übernimmt. Phase I startet bald, und wir planen, Phase II und III ebenfalls zügig abzuschliessen.
Für Torqur möchten wir 2025 die Phase-III-Studien bei Hautkrebs beginnen. Bei Torpedo liegt unser Fokus auf der grosstechnischen Produktion von Radioisotopen und den klinischen Studien für Prostatakarzinome. Unsere eigene Produktionsstätte ist bereits betriebsbereit, und wir erwarten, bald die letzte Phase der klinischen Tests durchführen zu können.
Dabei sind Partnerschaften für uns essenziell, um die finanziellen und logistischen Herausforderungen in der Entwicklung und Herstellung zu bewältigen. Aktuell bauen wir eine neue Partnerschaft mit einer grossen US-Biotechfirma auf, die unser Projekt Rocketvax unterstützt. Auch für Torqur streben wir Kooperationen mit führenden Unternehmen an, insbesondere im Bereich Hautkrebs. Diese Partnerschaften ermöglichen uns, unsere Produkte schneller und effizienter zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.
Wo sehen Sie Swiss Rockets langfristig, und welche Vision treibt Sie und Ihr Team an?
Unsere Vision bei Swiss Rockets geht über wirtschaftlichen Erfolg hinaus – sie ist geprägt von einem tiefen Idealismus. Wir wollen nicht nur die führende Innovationsschmiede für bahnbrechende Therapien sein, sondern diese auch weltweit zugänglich machen. Dabei spielt es keine Rolle, aus welchem Land ein Patient stammt oder welche politischen Konflikte die Welt prägen. Für uns stehen die Menschen und ihre Gesundheit im Mittelpunkt.
Gerade in Zeiten geopolitischer Spannungen, wie dem Ukraine-Krieg oder den Herausforderungen in Regionen wie Russland und Israel, zeigt sich, wie wichtig es ist, den Zugang zu medizinischen Innovationen unabhängig von nationalen Grenzen sicherzustellen. Forschung und Medizin sollten niemals Opfer politischer Konflikte werden.
Unsere globale Mission ist klar: Swiss Rockets will Therapien entwickeln, die allen Menschen zugutekommen – ob in Europa, den USA, Asien oder Afrika. Dieser Ansatz erfordert Mut, Ausdauer und die Bereitschaft, gegen Widerstände anzukämpfen. Doch genau das treibt unser Team an. Wir kämpfen nicht nur gegen Krankheiten, sondern auch für eine Welt, in der modernste medizinische Versorgung für alle verfügbar ist. Diese Vision ist sowohl unser Antrieb als auch unser Versprechen: Swiss Rockets wird weiterhin alles tun, um den medizinischen Fortschritt voranzutreiben und die Lebensqualität der Menschen weltweit nachhaltig zu verbessern.