Im letzten Jahrhundert ist die Lebenserwartung rasant angestiegen. Während das rreichen des 60. Lebensjahres vor hundert Jahren die Ausnahme war, haben Kinder, die heute geboren werden, gute Chancen 90 Jahre oder älter zu werden. Im Jahr 2030 wird weltweit einer von sechs Menschen 60 Jahre oder älter sein – Prognose steigend (1). Die weltweit erhöhte Lebenserwartung stellt einen der grössten Erfolge der Menschheit dar, doch wird dieser Triumph von vielen wirtschaftlichen und medizinischen Problemen begleitet. «Jeder möchte lange leben, aber keiner will alt werden», stellte der berühmte Schriftsteller Jonathan Swift früh fest. Denn das Altwerden ist – auch begünstigt durch den wachsenden sesshaften Lebensstil – begleitet durch Alterserkrankungen. Aus diesem Grund ist die Altersforschung mittlerweile ein hochaktuelles und heisses Forschungsgebiet. Der Traum vom ewigenund gesunden Leben – bald Wirklichkeit?
Die Genetik des Alterns
Der Bauplan für die zellulären Funktionenist codiert in unserem Erbgut – der DNA. Ihre Stabilität ist massgeblich für das Funktionieren unserer Zellen und somitunseres Körpers. Über die Lebensjahre allerdings akkumulieren in vielen menschlichen Geweben DNA-Schäden, die vonder körpereigenen Reparaturmaschinerie nicht mehr geheilt werden können. Typische exogene Angreifer der DNA sind beispielsweise UV-Strahlung und Zigarettenrauch,welche die DNA-Doppelhelix brechen oder mit ihr interagieren können, wodurch Mutationen ausgelöst und die Zellfunktion beeinflusst werden kann.
Weitere Formen der genetischen Instabilität sind z. B. die bei jeder Zellteilung stattfindende Verkürzung der Telomere, der Endabschnitte unserer Chromosomen, in denen unsere DNA verpackt ist. Erreicht die Degeneration der Telomere eine kritische Schwelle, so teilt sich die Zelle nicht weiter, geht in einen Zustand der Inaktivität über und verliert ihre Funktion – die Zelle altert. Während uns die initiale Länge der Telomere von den Eltern vererbt wird, konnten Studien aber auch zeigen, dass exogene Faktoren wie chronischer Stress die Telomere überproportional schnell verkürzen und so das Altern beschleunigen (2).
Die Epigenetik des Alterns
Neben der genetischen Instabilität spielt die Epigenetik eine immer wichtigere Rolle in der Altersforschung. Die Epigenetik des Alterns erforscht postreplikative Modifikationen der DNA, die meist in Form von Methylierungen oder Änderung der Histone, welche die DNA in eine dichte Struktur packen, stattfindet. Diese Modifikationen determinieren die Aktivität eines Gens. So werden beispielsweise einige Tumorsuppressoren und entzündungsfordernden Gene durch DNA-Methylierung reguliert. Tatsächlich ist das Methylierungsmuster altersabhängig, weswegen Forscher mittels des Epigenoms das «biologische Alter» eines Menschen bestimmen können. Das Interessante hierbei ist, dass das epigenetische Muster – anders als die genetischen Faktoren – reversibel und durch regelmässigen Sport und Ernährung beeinflussbar ist (2, 3).
Kalorienrestriktion – die Waffe für das gesunde Altern?
Ein epigenetischer Modulator ist die Kalorienrestriktion – eine Diät, bei der die Kalorienzufuhr unter den eigentlichen Energiebedarf des Körpers gesenkt wird, z. B. durch Intervallfasten. Studien in Affen deuten darauf hin, dass sich die epigenetische Uhr durch ein Kaloriendefizit stoppen oder gar zurückdrehen lässt. So konnte bei Affen, die sich ihr halbes Leben lang mit einem 30-prozentigen Kaloriendefizit ernährt haben, eine 7-jährige Verjüngung der epigenetischen Uhr im Vergleich zur chronologischen Uhr erreicht werden(4). Und auch die ersten Ergebnisse einer kleinen randomisierten und kontrollierten klinischen Studie am Menschen sehen vielversprechend aus (3). Davon abgesehen, dass dieses Resultat noch in grösseren Studien
bestätigt werden muss, ist noch weitestgehend unklar, wie sich die Verjüngung der epigenetischen Uhr beim Menschen auf die tatsächliche Lebensdauer auswirkt.
Kalorienrestriktions-Mimetika
Neben der lebensverlängernden Wirkung hat die Kalorienrestriktion auch protektive Eigenschaften auf altersbegleitende Krankheiten wie einige Krebsarten, kardiovaskuläre Krankheiten, Typ-2-Diabetes und Demenz. Jahrelange Kalorienrestriktion ist allerdings sehr aufwendig und im Falle einer Unterernährung auch lebensgefährlich, weshalb Forscher auf der Suche nach Kalorienrestriktions-Mimetika sind.
Im Zentrum der Anti-Aging-Forschung steht seit einigen Jahren die Inhibierung des mTOR (mechanistic Target of Rapamycin) Signalwegs, welcher der Dirigent des Zellwachstums ist. Die Inhibierung dieses Knotenpunktes, ob genetisch oder pharmakologisch durch Rapamycin – ein Immunsuppressivum, das auch nach Organtransplantationen eingesetzt wird – führt zumindest bei Mäusen zu einer bis zu 26-prozentigen Lebensverlängerung(5). Jedoch ist die Verwendung von Rapamycin beim Menschen aufgrund der extensiven Nebenwirkungen wie Insulinresistenz kontrovers und klinische Studien beim Menschen sind noch im Gange.
Das «Gegenstück» zu mTOR ist AMPK (AMP-activated protein kinase), ein Energiesensor, der aktiviert wird, wenn die zelluläre Energie in Form von ATP (Adenosintriphosphat) sinkt. Das beispielsweise durch Fasten und Sport aktivierte AMPK inhibiert nicht nur mTOR, sondern wirkt sich auch metabolisch positiv auf weitere altersbedingte Krankheiten aus, indem es die Glukoseaufnahme im Muskel und die Fettsäure-Oxidierung stimuliert. Ein pharmakologischer Aktivator von AMPK ist Metformin, das häufig zur Behandlung von Typ-2-Diabetes verwendet wird. Während die Metformingabe bei Würmern und Mäusen die Lebensdauer verlängert, ist der Anti-Aging-Effekt im Menschen noch kontrovers(6). Einig sind sich die Forscher aber darin, dass sich die Wirkung Metformins nicht nur auf die Aktivierung von AMPK begrenzt – die Off-target-Effekte in unterschiedlichen Gewebearten sind bisher grösstenteils unverstanden.
Eine weitere Gruppe der Hoffnungsträger sind die epigenetischen Modulatoren wie das im Rotwein vorhandene Resveratrol und Spermidin, welches vor allem in getrockneten Sojabohnen und Weizenkeimen vorkommt. Diese verändern das epigenetische Muster der DNA und sollen auf diese Weise die Lebensdauer verlängern. Während Studien bezüglich des lebensverlängernden Effekts von Resveratrol nur bei adipösen, nicht aber bei gesunden Mäusen erfolgreich waren, konnte der epigenetisch verjüngende Effekt des Spermidins bislang an Fruchtfliegen, Fadenwürmern und menschlichen Zellen im Labor gezeigt werden(7). Da klinische Studien am Menschen noch ausstehen und die Langzeitnebenwirkungen und Off-target-Effekte dieser Substanzen noch weitaus unbekannt sind (epigenetische Medikamente haben generell ein weitreichendes Nebenwirkungsprofil wie Krebs, Unfruchtbarkeit etc.), sind die Resultate aus diesen initialen Studien noch mit Vorsicht zu geniessen.
Das (noch) nicht ewige Leben
Während Studien an Würmern, Fliegen und Mäusen immer klarer aufzeigen, dass es Mechanismen und einzelne Signalwege gibt, die die Lebensdauer beeinflussen, ist die Beweislage im Menschen noch weniger eindeutig. Bis heute ist es uns nicht gelungen, den einen Faktor zu finden, der uns gesund – ohne Nebenwirkungen zu induzieren – länger leben lässt. Zum jetzigen Stand bleibt ein gesunder Lifestyle mit regelmässigem Sport und einer ausgewogenen Ernährung – gelegentlich im Kaloriendefizit – die einzige Strategie, die Chance auf ein gesundes Altern zu erhöhen.