Die Methode basiert auf der automatischen Auswertung von Videoaufnahmen, die Mäuse in Verhaltensexperimenten zeigen. Im Fokus stehen nicht nur einzelne Verhaltensmuster wie das Aufrichten auf die Hinterbeine oder das Erkunden neuer Objekte, sondern auch die Übergänge zwischen verschiedenen Verhaltensweisen. Diese Übergänge geben wertvolle Hinweise auf den emotionalen Zustand der Tiere, etwa ob sie gestresst, unsicher oder entspannt sind.
Die Daten werden mithilfe von KI verarbeitet und mathematisch zusammengefasst, wodurch die statistische Aussagekraft der Analysen erhöht wird. Dadurch lassen sich auch subtile Unterschiede zwischen einzelnen Tieren erkennen, ohne die Anzahl der Versuchstiere erhöhen zu müssen.
Fortschritte in der Stressforschung
Die Methode wurde von der Gruppe von Johannes Bohacek, Professor für Neurowissenschaften an der ETH Zürich, entwickelt. Sein Team erforscht die Auswirkungen von Stress auf Verhalten und Gehirnprozesse. Mit dem neuen Ansatz konnten die Forschenden zeigen, dass akuter und chronischer Stress das Verhalten der Mäuse unterschiedlich beeinflussen und auf verschiedene Mechanismen im Gehirn zurückzuführen sind. Diese Erkenntnisse könnten auch für die Entwicklung neuer Therapien bei stressbedingten Erkrankungen beim Menschen wegweisend sein.
Standardisierung und bessere Vergleichbarkeit
Neben der Reduktion von Versuchstieren erhöht die Methode die Standardisierung von Experimenten und verbessert die Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Forschungsgruppen. Dies ist ein wichtiger Schritt, um biomedizinische Forschungsergebnisse zuverlässiger und konsistenter zu machen.
Beitrag zur Förderung des Tierwohls
Die neue Methode ist ein Ergebnis des ETH-3R-Hub, einer Plattform zur Förderung des Tierwohls in der biomedizinischen Forschung. „Wir tragen zu einer ethischeren und effizienteren Forschung bei, indem wir künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen einsetzen“, erklärt Bohacek. Der 3R-Hub unterstützt Forschende dabei, die neue Methode in ihren Laboren zu etablieren und so einen positiven Wandel in der Tierforschung zu fördern.
Perspektive
Die Innovation der ETH Zürich zeigt, wie Technologie die biomedizinische Forschung nicht nur präziser, sondern auch nachhaltiger machen kann. Dies ist ein bedeutender Schritt hin zu einer Forschung, die Tierwohl und wissenschaftlichen Fortschritt gleichermassen berücksichtigt.
Literatur
von Ziegler LM, Roessler FK, Sturman O, Waag R, Privitera M, Duss SN, O’Connor EC, Bohacek J: Analysis of behavioral flow resolves latent phenotypes. Nature Methods, 12. November 2024, doi: 10.1038/s41592’024 -02500-6